10.07.2023

Erhöhung der jährlichen Zuführung zur Erhaltungsrücklage außerhalb des Wirtschaftsplanes?

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz beschließen Wohnungseigentümer über die Erhebung von Hausgeldvorschüssen und die Zuführung zur Erhaltungsrücklage und gegebenenfalls weiteren Rücklagen. In aller Regel geschieht dies über den Wirtschaftsplan, den der Verwalter jährlich zur Abstimmung vorzulegen hat. In einer aktuellen Entscheidung, in der der Bundesgerichtshof (BGH) über eine Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) zu befinden hatte, ging es u.a. um einen Beschluss über eine Erhöhung der jährlichen Zuführung der Instandhaltungsrücklage. Der BGH musste sich in der Sache nicht äußern, weil er die NZB aus formellen Gründen scheitern ließ (zu geringe Beschwer - die Wertgrenze von 20.000 € wurde verpasst). Trotzdem gibt es Anlass, dieser Frage nachzugehen, da sie in der Praxis relevant ist.

Mit Urteil vom 30.03.2023 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 132/22 verwarf der BGH die NZB der Anfechtungskläger gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig. Die Beschwer der Kläger betrug nur 18.456,71 €. Dass der Streitwert 57.250 € betrug, war egal, da es für die NZB auf ihn nicht ankommt.

Der Fall

Die Kläger sind Mitglieder der beklagten GdWE. In der Eigentümerversammlung vom 07.08.2021 wurde unter TOP Ziffer 7.1 eine Sonderumlage in Höhe von 45.000 € und unter TOP Ziffer 7.2 eine Verdopplung der jährlichen Zuführung der Instandhaltungsrücklage von 3.500 € auf 7.000 € beschlossen. Die Kläger haben Miteigentumsanteile (MEA) von 3223,88/10.000. An der Sonderumlage waren sie mit 14.507,46 € beteiligt. Die Erhöhung der Rücklage führte für die Kläger zu einer jährlichen Mehrbelastung von 1.128,36 €.

Weitere Einzelheiten für die hier behandelte Frage lassen sich der Entscheidung nicht entnehmen. Mutmaßlich handelt es sich um eine kleine Gemeinschaft mit 3-4 Wohnungen, da die Kläger immerhin 32,23 88 % MEA auf sich vereinen. Denkbar – wenn auch unwahrscheinlich – wäre auch, dass es eine große Gruppe von Klägern ist. Die Einzelanteile werden insoweit addiert. Dem mitgeteilten Sachverhalt nach wurde die Verdopplung der jährlichen Rücklagenzuführung außerhalb des Wirtschaftsplanes beschlossen. Bei lebensnaher Betrachtung wird es im Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Versammlung einen gültigen Wirtschaftsplan unter Einbeziehung von Vorschüssen zur Erhaltungsrücklage gegeben haben.

Die Entscheidung

Der BGH verwirft die NZB als unzulässig. Die gesamte Beschwer der Kläger liegt unter 20.000 €. Bei der Streitwertberechnung beträgt das Gesamtinteresse an der Anfechtung des Beschlusses zur Erhöhung der Rücklage 12.250 €, denn der jährliche Erhöhungsbetrag von 3.500 € ist wegen der Dauerwirkung des Beschlusses nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen mit dem Faktor 3,5 zu multiplizieren. Dieser Betrag ist maßgeblich, weil das siebeneinhalbfache Einzelinteresse der Kläger (3.949,25 € [1.128,36 € x 3,5] x 7,5 = 29.619,38 €) höher wäre und daher die Streitwertobergrenze des § 49 GKG greift.

Fazit für Wohnungseigentümer oder Verwaltungsbeiräte

In manchen Gemeinschaftsordnungen finden sich Regelungen über die Höhe der Rücklagenzuführung. Diese haben keine Bindungswirkung, häufig wird von bloßen formellen Satzungsbestandteilen gesprochen. Demnach ist es nicht zu beanstanden, wenn im jeweiligen Wirtschaftsplan niedrigere oder höhere Zuführungen festgelegt und durch Beschluss konstitutiv begründet werden.

Mit einer Änderung des Kostenverteilungsschlüssels hat der vorliegende Fall nichts zu tun. Der Schlüssel für die Zuführung bleibt unverändert (Miteigentumsanteile). Fraglich ist, ob die Änderung des Schlüssels für die jährliche Zuführung zur Instandhaltungsrücklage von der gesetzlichen Beschlusskompetenz in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG umfasst ist. Dies dürfte zu bejahen sein. Kosten der Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung) stellen unzweifelhaft eine Kostenart im Sinne der Vorschrift dar. Wenn dieser Schlüssel geändert werden kann, muss entsprechendes für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage gelten. Für weitere Rücklagen gilt dies entsprechend, weil bzw. wenn es sich bei den angesparten Beträgen ebenfalls um Kosten der Verwaltung handelt.

Die Reduzierung der Höhe der Rücklagenzuführung kann ebenfalls ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, z.B. nach Durchführung einer umfangreichen Sanierungsmaßnahme, der Erhebung einer hohen Sonderumlage oder dem Abschluss eines Darlehensvertrages. Allerdings sollte stets dafür gesorgt werden, dass eine eiserne Reserve im Vermögen der Gemeinschaft verbleibt.

Wie wäre es nach dem neuen WEG 2020 (WEMoG)?

Der streitgegenständliche Beschluss wurde am 07.08.2021 gefasst. Es galt also bereits das neue WEG vom 01.12.2020. Die Schaffung zusätzlicher Rücklagen ist durch das neue Recht ausdrücklich legitimiert worden.